RD&I

Polyurethan-Recycling

Kreislauf für Schaumstoffe

Ein neues Verfahren könnte eines der großen Abfallprobleme unserer Zeit lösen: Es verwandelt alte Polyurethan-Schäume zurück in wertvolle Rohstoffe. 

Polyurethan (PU) ist ein besonders vielseitiger und leistungsstarker Kunststoff. Er wird dann eingesetzt, wenn Widerstandsfähigkeit und Langlebigkeit gefragt sind. Ganz besonders eignet er sich für Schäume, die isolieren oder polstern. In Häuserfassaden, Kühlschränken, Autositzen oder Matratzen etwa sind solche Schäume meist lange Jahre im Einsatz. Leider lassen sie sich danach aber bislang kaum recyceln. Allein in der EU landen deshalb zum Beispiel jedes Jahr rund 40 Millionen Matratzen auf Deponien oder in Müllverbrennungsanlagen. Das muss sich ändern.

Kunststück gelungen

Zusammen mit unseren Kollegen aus der Business Line Comfort & Insulation und der Verfahrenstechnik haben wir ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Polyurethan chemisch recyceln lässt. Typische PU-Schäume für Matratzen entstehen aus der Reaktion von Isocyanat (TDI) mit Polyetherpolyol und Wasser und unter Zugabe diverser Additive. Als Nebenprodukt wird CO2 frei, welches das Material aufschäumt, ehe das Polymer aushärtet – ähnlich wie ein Kuchen im Backofen aufgeht. So wenig sich ein Kuchen zurück in Butter, Eier, Mehl und Zucker verwandeln lässt, so schwer ist es auch die Polymerisation einer Schaummatratze umzukehren — eigentlich. Dieses Kunststück ist uns jedoch gelungen: Geschredderte Altmatratzen werden dazu in einem Hydrolysereaktor mittels Hitze, Druck und spezieller Katalysatoren chemisch zerlegt und dann zu reinem Amin, der direkten Vorstufe des Isocyanats, und Polyol aufbereitet – den Grundzutaten des Polyurethans.

Komplettes Neuland

Evonik ist seit Langem der führende Hersteller für Additive und Katalysatoren zur Herstellung von PU-Schäumen. Erst dank solcher Prozesshilfsstoffe lassen sich das Aufschäumen und damit die Eigenschaften des fertigen Schaums exakt steuern. Entsprechend genau kennt die Evonik-Business Line Comfort & Insulation die Prozesse und den Markt. „Den Recyclingprozess zu entwickeln, das war komplettes Neuland für uns“, sagt Emely Schweissinger, Projektleiterin der Product Line Comfort. „Unsere Kompetenzen in der Creavis ermöglichen es jedoch, auch ganz neue Innovationsprojekte anzugehen.“ Dazu verknüpfen wir als Business Incubator des Konzerns neue Forschung mit praktischem Anwenderwissen aus dem Geschäft. Mit Erfolg, wie sich zeigt.

Erste Pilotanlage

In Kürze soll in Hanau bereits die erste Pilotanlage in Betrieb gehen, die in größeren Mengen Matratzen verwerten kann. Die Skalierbarkeit ist entscheidend: Kunststoffe spielen eine wichtige Rolle in der Kreislaufwirtschaft. Eine gemeinhin als „Plastik-Richtlinie“ bekannte EU-Vorschrift schreibt vor, dass ab 2025 bestimmte Kunststoffprodukte zu einem Viertel aus Rezyklat bestehen müssen. Zwar gilt das noch vor allem für Einwegverpackungen. Aber auch langlebige Produkte wie Matratzen und andere PU-Anwendungen werden zwangsläufig folgen. Es gilt also, Lösungen schon jetzt reif zu machen für die Praxis.