Fokusthema 2021/2022

Sustainable Food Future(s) 2040

Das Foresight Team erarbeitete einen ganzheitlichen Ausblick auf die Zukunft der globale Lebensmittelwertschöpfungskette, um darauf aufbauend neue Innovationsmöglichkeiten für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion abzuleiten.

Die Ernährung der Weltbevölkerung ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Eine Herausforderung, die in Zukunft noch größer wird: Bevölkerungswachstum, Unterernährung, Klimawandel, nicht nachhaltige Anbaumethoden und der aufholende Fleischkonsum in Asien und Afrika sind nur einige Beispiele für Trends, die nur eine Schluss zulassen: Um die Welt nachhaltig zu ernähren und den Hunger in der Welt zu beenden, muss die Lebensmittelwertschöpfungskette umgestaltet werden.

Daher zielte das Foresight-Fokusthema darauf ab, eine ganzheitliche Perspektive auf die globale Lebensmittelwertschöpfungskette über die Chemie hinaus zu schaffen. In Zusammenarbeit mit internen wie externen Expertinnen und Experten führte das Foresight-Team eine strukturierte Zukunftsanalyse der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette durch. Ausgehend von einer systematischen Betrachtung der Trends und Technologien, die den Wandel entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette vorantreiben, wurden vielversprechende Innovationssuchfelder identifiziert und potenzielle mittel- bis langfristige Geschäftsmöglichkeiten für Evonik abgeleitet.

AUF DEM WEG ZU EINEM NACHHALTIGEREN LEBENSMITTELSYSTEM: EIN BLICK AUF WICHTIGE SYSTEM-TRANSFORMATIONEN 

Transformationsprozesse sind in vielen verschiedenen Bereichen und auf verschiedenen Ebenen der Lebensmittelwertschöpfungskette sichtbar. Im Zuge des "Sustainable Food Future(s)"-Fokusthemas analysierte das Foresight-Team mehr als 50 System-Transformationen. Hier zeigen wir eine Auswahl der Themen. 

#2 Ökosystemleistungen: Vom Leistungsverlust zum aktiven Ökosystemmanagement
#2 Ökosystemleistungen: Vom Leistungsverlust zum aktiven Ökosystemmanagement

Rund um den Globus nehmen Aktivitäten zur Wiederherstellung und dem Ersatz von Ökosystemleistungen zu, die aufgrund von Umweltverschmutzung, Zerstörung oder Klimawandel verloren gegangen sind. Eingesetzte Lösungen reichen von Geoengineering über Biotech-Anwendungen bis hin zu alternativen Anbaumethoden. Ein Beispiel dafür ist die Bestäubung. Klimawandel, Landnutzung und eine Reihe anderer Faktoren gehen in vielen Gebieten weltweit mit einer abnehmenden Effektivität natürlicher Bestäubungsprozesse einher. Diese Entwicklung wird sich voraussichtlich zunehmend negativ auf Menge und Qualität der Ernteerträge auswirken und könnte auch noch deutlich umfassendere Folgen für das Ökosystem haben. Künstliche Bestäubung könnte diese Folgen abmildern. Unser Bild zeigt verschiedene Ansätze für die künstliche Bestäubung, z. B. Roboter für die Präzisionsbestäubung, die vermehrt eingesetzt wird, oder auch Insekten-ähnliche Mikrodrohnen, die manche Forscher als mögliche Lösung für die Zukunft beschreiben.

#3 Wasserknappheit: Vom regional begrenzten zum globalen Problem
#3 Wasserknappheit: Vom regional begrenzten zum globalen Problem

Schwindende Süßwasservorräte werden zu einer massiven Herausforderung für die Menschheit. Sei es der Zugang zu Trinkwasser in den ärmsten Regionen der Welt oder die wachsende Konkurrenz um Wassernutzung zwischen Landwirtschaft, Industrie und städtischen Bevölkerungen auch in vielen Ländern mit hohem Einkommen. Neben Verbesserungen bei der effizienten Nutzung von Wasser wird die Erschließung zusätzlicher Versorgungsquellen entscheidend. Je nach Region könnten künftige Lösungen von atmosphärischen Erzeugung von Wasser über die Erhöhung der Wasserspeicherkapazität der Böden bis hin zur Wiederauffüllung unterirdischer Grundwasserleiter im Zuge von Überschwemmungsereignissen reichen.

#7 Landwirtschaft: Vom freien Feld zur hochgradig kontrollierten Umgebung
#7 Landwirtschaft: Vom freien Feld zur hochgradig kontrollierten Umgebung

Durch den Klimawandel werden die Wetterbedingungen in vielen Regionen der Welt unzuträglicher für die Landwirtschaft. Aus diesem Grund wachsen die Bestrebungen, einen Teil der landwirtschaftlichen Produktion von den Ackerflächen in technisch kontrollierte Umgebungen zu verlagern, die den . Hightech-Indoor-Farmen, einschließlich vertikaler Anbaumethoden, sind eines der besten Beispiele für diesen Wandel. Diese Ansätze verwenden in der Regel neue Anbaumethoden wie Aero- und Hydroponics, bei denen andere Substrate und Wachstumsmedien als Erde zum Einsatz kommen, um die Pflanzen zu verankern und die Pflanzenwurzeln mit Wasser, Nährstoffen und Sauerstoff zu versorgen.

#8 Viehzucht: Von traditionellen zu neuen und unkonventionellen Konzepten
#8 Viehzucht: Von traditionellen zu neuen und unkonventionellen Konzepten

Wenn die Welt dem Ruf nach einer gesünderen, nachhaltigeren Ernährung folgt, dann wird die Art und Weise, wie die Menschheit tierisches Eiweiß produziert, zu einem der entscheidenden Themen. Um die Umweltauswirkungen der Produktion von tierischem Eiweiß zu verringern, ist eine Welle von Innovationen und - in einigen Bereichen - eine grundlegende Neugestaltung der Produktionsansätze erforderlich. Betrachten wir zum Beispiel die Aquakultur: Neuartige Fischereikonzepte dehnen die Produktion auf neue und innovative Standorte aus, wie Tiefwasser-Fischfarmen oder geschlossene Kreislaufsysteme für Aquakultur an Land.

#10 Pflanzenschutz und Düngung: Von konventionellen zu neuen Formen
#10 Pflanzenschutz und Düngung: Von konventionellen zu neuen Formen

Die Entwicklung synthetischer Dünge- und Pflanzenschutzmittel im 20. Jahrhundert war ein Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit. Sie ermöglichte eine massive Steigerung der Ernteerträge und einen Bevölkerungsboom. Der übermäßige Einsatz dieser Agrarchemikalien ist jedoch zu einem der Hauptverursacher punktueller Umweltverschmutzung geworden. Außerdem lässt die Wirksamkeit einiger konventioneller Pflanzenschutztechniken nach. Dies führt zum Aufkommen neuartiger Methoden, wie dem Einsatz von Biostimulanzien oder RNA-Interferenz-Ansätzen, die die Verbesserung von Ernteerträgen und -qualität bei gleichzeitig weniger schädlichen Umweltwirkungen versprechen.

#12 Landwirtschaft: Von analog und erfahrungsbasiert zu digitalisiert und datenbasiert
#12 Landwirtschaft: Von analog und erfahrungsbasiert zu digitalisiert und datenbasiert

Die digitale Transformation verändert auch die Anbaumethoden von Nutzpflanzen. Die Digitalisierung ermöglicht eine stärkere Automatisierung in der Landwirtschaft, zum Beispiel durch selbstfahrende Traktoren, automatisierte Bewässerungssysteme und andere software- oder roboterbasierte Lösungen. Digitale Technologien ermöglichen die präzise Ausbringung von Agrochemikalien oder eine KI-gestützten Führung auch landwirtschaftlicher Kleinbetriebe. So kann die Effizienz weiter gesteigert werden und die Landwirtschaft wird zunehmend datenbasiert betrieben. Digitale Lösungen versprechen somit bessere Rentabilität durch höhere Ernteerträge bei geringerem Einsatz der traditionellen Betriebsmittel – das freut Landwirtschaft und Umwelt.

#19 Die wahren Kosten der Lebensmittelproduktion: Vom Ignorieren zur Berücksichtigung externer Effekte
#19 Die wahren Kosten der Lebensmittelproduktion: Vom Ignorieren zur Berücksichtigung externer Effekte

Abholzung von Wäldern, ausgelaugte Böden oder überfischte Meere - das sind nur einige Beispiele dafür, wie die Nahrungsproduktion die Umwelt weltweit negative beeinflusst. Dennoch spiegeln sich diese Umweltauswirkungen oder, wie Ökonomen sagen würden, die negativen externen Effekte in den meisten Fällen nicht in den Einzelhandelspreisen für Lebensmittel wider. Daher drängt eine wachsende Zahl von Interessengruppen auf eine „wahre Kostenrechnung" für Lebensmittel, die diese externen Effekte berücksichtigt. Bei einem solchen Ansatz müssten die Preise von Lebensmitteln ihre gesamten ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Kosten enthalten. Auf diese Weise würde für Haushalte ein klarer Anreiz gesetzt, Produkte mit geringeren externen Kosten zu kaufen. Im Laufe der Zeit würde so der Übergang von einem heute in vielen Teilen extraktiven zu einem regenerativen Lebensmittelproduktionssystem begünstigt. Solch eine „wahre Kostenrechnung“ ist jedoch keine triviale Angelegenheit. Neben der notwendigen Akzeptanz durch alle Stakeholder erfordert ihre Einführung vor allem Lösungen für eine sehr viel größere Transparenz der Nachhaltigkeitsleistung aller Akteure entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette.

#20 Lebensmittelkonservierung: Von konventionellen zu neuen Lösungen
#20 Lebensmittelkonservierung: Von konventionellen zu neuen Lösungen

Verdorbene Lebensmittel sind Gesundheitsrisiko und Verschwendung von natürlichen Ressourcen zugleich. Neue Formen der Lebensmittelkonservierung versprechen eine längere Haltbarkeit und - in einigen Fällen - auch eine besseren Nährstoffgehalt gegenüber Lebensmitteln, die mit konventionellen Methoden konserviert wurden. Beispiele für solche fortschrittlichen Techniken sind die Behandlung mit gepulsten elektrischen Feldern, ultraschallunterstütztes Einfrieren, mit Nanotechnologie entwickelte Verpackungen oder auch die kontrollierte Freisetzung von Biokonservierungsmitteln wie Pflanzenmetaboliten. Die zunehmende Verwendung dieser neuen Lösungen kann dazu beitragen, zugleich die Menge an Lebensmittelabfälle und das Risiko für Lebensmittelvergiftungen zu verringern.

#23 Präzisionsfermentation: Von der Viehzucht zum Bioreaktor
#23 Präzisionsfermentation: Von der Viehzucht zum Bioreaktor

Immer mehr Menschen sind sich bewusst, welche Umweltauswirkungen mit dem Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten einhergehen. In Verbindung mit Gesundheits- und Tierschutzfragen tragen diese Umweltbedenken zu einem veränderten Verbraucherverhalten bei: Verbraucher entscheiden sich immer häufiger für Alternativen zu tierischen Lebensmitteln und greifen zu den zunehmend verfügbaren pflanzlichen Produkten. Allerdings bleiben die pflanzlichen Alternativen geschmacklich und funktional oft noch hinter ihren tierischen Pendants zurück. Als Reaktion auf diese Nachteile steigt das Interesse an aus Mikroorganismen gewonnenen Proteinen, wie beispielsweise fermentativ hergestellten Milch- und Eiproteinen, die als nachhaltigere, aber funktionell ähnliche Alternativen für tierische Produkte fungieren könnten. So könnten in Zukunft Lebensmittel, die traditionell aus der Tierhaltung stammen, zunehmend ohne Tierhaltung im industriellen Maßstab hergestellt werden.

#24 Gesundheit und Wohlbefinden: Von Medikation (allein) zur präventiven Ernährung und Lebensmitteln als Medizin
#24 Gesundheit und Wohlbefinden: Von Medikation (allein) zur präventiven Ernährung und Lebensmitteln als Medizin

Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit wird immer deutlicher. Neben Erkenntnissen zur Prävention, z.B. zu Diabetes Typ 2 oder Darmkrebs, zeigt eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Studien auch den Nutzen der richtigen Ernährung im Rahmen strukturierter Behandlungsprogramme für ein breites Feld von Krankheitsbildern. Ein Großteil dieses Wissens bleibt jedoch noch ungenutzt, nicht zuletzt aufgrund individueller Herausforderungen bei der alltäglichen Umsetzung im Alltag. Doch das wachsende Gesundheitsbewusstsein bei den Verbrauchern werden in Verbindung mit den Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung die Nachfrage nach und Ansprüche an einfach zu nutzenden Lösungen steigern. Digitale Gesundheitstools werden die Menschen künftig bei ihren Entscheidungen unterstützen. Wachsende Möglichkeiten, die individuelle Genetik, Epigenetik und das Mikrobiom zu analysieren, werden gezieltere Ansätze bei der Ernährung fördern. Vor diesem Hintergrund wird künftig eine Vielzahl von Produkten – von Nutrazeutika über Neuroprotektiva bis hin zu nutrigenomischen Lebensmitteln – die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse von Verbrauchern an der Schnittstelle von Ernährung und Medizin ansprechen.

#28 Lebensmittelabfälle: Vom Abfall zu wertvollen Materialien und Rohstoffen
#28 Lebensmittelabfälle: Vom Abfall zu wertvollen Materialien und Rohstoffen

Vermeidbare Lebensmittelabfälle haben massive Auswirkungen für Wirtschaft, Umwelt und nicht zuletzt auch die Ernährungssicherheit. Weltweit fallen enormen Mengen Lebensmittelabfälle an: Haushalte, Gastronomie und Einzelhandel werfen jedes Jahr über 930m Tonnen Lebensmittel weg. Derzeit werden Lebensmittelabfälle hauptsächlich auf Deponien gelagert, und nur kleinere Mengen werden recycelt oder zur Energierückgewinnung verwendet. Die Reduzierung von Lebensmittelabfällen bleibt zweifelsohne die beste Option, aber auch die Verbesserung der Nutzung von Lebensmittelabfällen ist wichtig. Auf der ganzen Welt werden deshalb erhebliche Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen unternommen, um die Entsorgung von Lebensmittelabfällen auf die Rückgewinnung von Ressourcen umzustellen. Aufgrund ihrer organischen und nährstoffreichen Zusammensetzung besteht die Hoffnung, dass mehr Abfälle wirtschaftlich in biobasierte Produkte wie bioaktive Verbindungen, Biokraftstoffe oder Biokunststoffe umgewandelt werden können.

#29 Verpackungen: Vom Einwegmaterial zu erneuerbaren und recycelten Materialien
#29 Verpackungen: Vom Einwegmaterial zu erneuerbaren und recycelten Materialien

Lebensmittelverpackungen sollen ihren Inhalt frisch und sauber halten und bei Lagerung und Transport schützen. Allerdings werden Verpackungen manchmal auch als überflüssig und verschwenderisch empfunden. Insbesondere Kunststoffverpackungen sind für viele Verbraucher angesichts der wachsenden Umweltbelastung durch Plastik zu einem umstrittenen Thema geworden. Derzeit werden jährlich werden schätzungsweise 140m Tonnen an Kunststoffverpackungen hergestellt und die Nachfrage wird voraussichtlich weiter steigen. Um den Eintrag von Kunststoffabfällen in die Umwelt zu reduzieren, müssen Recyclingsysteme verbessert werden und viele weit verbreitete Materialien durch nachhaltige Alternativen ersetzt werden. Dies treibt die Suche nach nachhaltigeren Verpackungsalternativen wie biobasierten, biologisch-abbaubaren und/oder recycelbaren Verpackungsmaterialien voran.